
LONDON 2025
LONDON 2025. Der 100 Club ist prall gefüllt. Auf der Bühne : THE MOLOTOVS - aktuell Englands angesagteste alternative Band.
Was Mathew und Issey Carts (die beiden sind Geschwister) auf die Bühne bringen, ist unglaublich. Das ist die art von Energie, die mich einst mitgerissen hat, als ich das erste mal Paul Weller mit THE JAM gesehen habe. Dem Publikum scheint es ähnlich zu gehen. Jung und außer Rand und Band.Es ist also doch noch nicht alles verloren.
Gehen wir zurück in die frühen 80er Jahre, in denen Subkulturen, wie PUNK oder MOD den Ton angaben.Wir sprechen über eine Zeit, in der es nur drei Fernsehprogramme und kein Internet gab. Eine Zeit, in der Jugendliche meist auf Spielplätzen und an Strassenecken rumhingen.
Doch dann kam PUNK und veränderte für viele von uns die Welt.Die rebellische Musik und die Idee von NO FUTURE, gab der Jugend ein Ventil und eine Stimme. Mit den PUNKS kamen die MODS. PUNKS IN PARKAS hieß es. Ihre Bands: THE BUZZCOCKS und THE JAM. Ihr Programm: Alles zu erleben, so lange man noch jung ist. MOD zu sein. Das war wie ein Rausch.
“im Morgengrauen flitzten wir durch die Strassen Berlins und skandierten WE ARE THE MODS! WE ARE THE MODS! Wir schmissen bunte Pillen ein, die uns durch die Nacht trugen…” — Ben Becker
1979 kam dann das MOD Epos QUADROPHENIA (von the WHO) in die Kinos. Bands,wie THE JAM, SECRET AFFAIR , THE SPECIALS und MADNESS erschienen auf der Bildfläche. Die MODS waren plötzlich wieder da (MODS ARE BACK). Maßgeschneiderte Klamotten und chromverzierte Motorroller sind ihr Markenzeichen.



Was kaum einer weiß, ist, dass Düsseldorf und Hamburg, neben London echte Epi-Zentren der damaligen (79er Revival) MOD Bewegung gewesen sind. Hier trafen sich die europäischen MODS. u.A. aus Schweden, Frankreich oder Italien. Deutsche Bands, wie DIE PROFIS, STUNDE X oder CHOCOLATE FACTORY fanden hier ihr Publikum.
Dass Düsseldorf und Hamburg in der britischen Besatzungszone gewesen sind, spielte dabei auch eine gewisse Rolle. Hunderte von deutschen MODS trafen sich in Badeorten, wie Eckernförde oder Grömitz.
Es verging kaum ein Wochenende, an dem es keine Partys oder Konzerte gab. Man kommunizierte über selbstgemachte Fanzines und traf sich täglich in Clubs, wie z.B. dem RATINGER HOF oder dem SOUL CENTER in Düsseldorf.
Dabei kam es z.T. zu handfesten Auseinandersetzungen mit anderen Gruppierungen, die sich von der extravaganten Art der MODS provoziert fühlten. Der Buch Titel: DREIKNOPF (der schicke Anzug) UND DOSENBIER (Hinweis auf die Arbeiterklasse) bezeichnet die MODS der 80er Jahre (Revival MODS) ganz gut.
Die Geschichte der MODS hat ihren Ursprung in den späten 50er Jahren, als Modern Jazz Europa eroberte.Modern Jazz fand, genauso, wie der Befreiungskampf der schwarzen Minderheit in den USA, breiten Anklang bei einer elitär - interlektuellen Jugend in Europa, die die prüde Nachkriegs Gesellschaft, grundlegend ablehnte. In den Keller-Clubs und Bars von Paris, London oder Hamburg entstand eine Szene, die sich künstlerisch und, vor allem, kritisch mit der Gesellschaft auseinandersetzte. Für die einen waren es die Existenzialisten- sie selbst nannten sich MODERNISTS.
Frauen waren den Männern gleichgestellt, trugen kurze Haare und Hosen. Homosexualität wurde frei ausgelebt. Das war neu und provokant. In England schien eine ganze Generation von Jugendlichen nur darauf zu warten, sich aus den traditionellen Fesseln zu befreien. Insbesondere die junge WORKING CLASS.
Aus MODERNISTS wurden MODS. Aus einem Trend eine Subkultur. Hinzu kam die Liberalisierung der schwarzen Minderheit in England. Zum ersten mal mischten sich Jugendliche in einer Jugendbewegung. MODS hören schwarze Musik. Nicht nur den Jazz, Blues und Soul aus den USA, sondern auch den frühen Raggae und Ska aus Brixton und Packham.
Wie ihre Vorbilder aus italienischen und französischen Filmen, tragen MODS maßgeschneiderte Mode, fahren aufgemotzte Motorroller und sind immer auf der Suche nach dem nächsten, neuen Thrill.






Ob durch ausufernde Partys, exklusive Gigs in kleinen Clubs oder das Flanieren auf der Carnaby Street. Die MODS waren plötzlich in aller Munde. Man bezeichnete sie (nach dem Soul Hit von Dobie Gray) als die IN CROWD.Nicht zuletzt durch die handfesten Auseinandersetzungen mit den Rockern, die jedes Jahr zu Ostern in den englischen Badeorten Brighton oder Margate zu wahren Tumulten führten, waren die MODS für den Normal Bürger aber eher ein öffentliches Ärgernis.
Wer den Film SATURDAY NIGHT FEVER gesehen hat, kann sich ein gutes Bild über die MODS der 60er Jahre machen. Der Artikel, der dem Film zugrunde liegt, erzählt die Geschichte der MODS im Londoner Stadtteil Shepherd's Bush. Die MODS und die neue schwarze Musik waren die Zukunft. Das kommerzielle Potential erkannte als erster der Platten Produzent Peter Meaden (the architect of MOD), der sich eine MOD Combo namens THE HIGH NUMBERS griff und daraus THE WHO machte, die mit MY GENERATION die Hymne der MODS schrieben. Viele sprechen von dem ersten PUNK Song der Geschichte.
THE WHO waren durch und durch MODS. Extravagant und provokant, bunt gekleidet, geschminkt und laut. Sie zerschlugen ihre Instrumente, gaben patzige Interviews und sangen davon, dass sich die alte Generation verpissen soll. Sie waren der Gegenpol zu den, damals, als brav und angepasst geltenden BEATLES.
“I hope I die, before I get old ...” — THE WHO
Mit THE WHO kamen THE KINKS, THE SMALL FACES, ROD STEWARD, THE YARDBIRDS, DAVID BOWIE u.v.a. Selbst CAT STEVENS war zu dieser Zeit ein MOD.
Die TV Show READY, STEADY, GO war damals DIE Musiksendung im britischen TV und bot den neuen Stars eine Bühne.. Mit dem Model Twiggy eroberte ein neuer Frauen Typ die Welt. Jung, provokant und selbstbestimmt.
London's Carnaby Street, mit ihren kleinen Boutiquen, wurde zur Modemeile der Welt. Mary Quandt erfand den Mini Rock, Vidal Sasoon den French Cut für Männer. Im Kino liefen Filme, wie BREATHLESS, THE GRADUATE oder BLOW UP.



Das erste mal hatte die Jugend wirklich eine Stimme, die wahrgenommen wurde. Mode und Musik kamen aus Central London - geboren aus einer Subkultur. Es war, allerdings, auch das erste mal, dass das Thema Jugend derart kommerzialisiert wurde.
Damit stellte sich für diejenigen, die sich einst gegen jegliche Konvention und den Mainstream gestellt hatten, die Sinnfrage. Dies auch ausgelöst durch die weltpolitischen Ereignisse, wie z.B. dem Vietnamkrieg. Ende der 60er Jahre löste die Hippiebewegung die MODS ab.
Aber zurück ins Hier und Heute. Was ist übrig geblieben? In wie weit haben uns Subkulturen, wie z.B. MOD geprägt? Was ist aus den Protagonisten der 60er und 80er Jahre geworden? Wie sehr MOD zur DNA der britischen Musik geworden ist, zeigt sich in den 90er Jahren. Bands, wie BLURR, THE VERVE oder OASIS bilden die 4. Generation MOD und prägen den BRIT POP. AMY WINEHOUSE gibt Soul ein neues Gesicht.
Es ist auch die Zeit in der EDDIE PILLER mit seinem ACID JAZZ Label und Künstlern, wie JAMIROQUAI, THE BRAND NEW HEAVIES oder GALLIANO erfolgreich ist. PAUL WELLER (the Modfather) ist, nachdem sich STYLE COUNCIL aufgelöst hat, solo unterwegs.
“I'll always be a MOD, you can bury me a MOD.” PAUL WELLER
Aktuell erlebt BRIT POP eine Wiedergeburt. Die Reunion von OASIS ist wahrscheinlich das größte Musikereignis dieses Jahrzehnts.
Und was ist mit den MODS?
Die gibt es wieder. Zahlreicher, denn je. Überall auf der Welt - insbesondere in Europa und Asien. Mit einem großen Unterschied: Es sind keine rebellischen Jugendlichen mehr - es sind 50 - 60 jährige Frauen und Männer, die sich, scheinbar, weigern, erwachsen zu werden.
Bands, wie THE PURPLE HEARTS, SECRET AFFAIR oder THE CHORDS spielen immer noch die selben Lieder vom ewigen Jung Sein. Selbst die ehemaligen QUADROPHENIA Darsteller sind Teil dieser Szene - geben Autogramme und erzählen, wie es damals beim Dreh gewesen ist.
Man kann dazu stehen, wie man will. Aber wenn man mal ganz ehrlich ist, dann war die Jugend schon eine verdammt coole Zeit. Wem kann man es übel nehmen, wenn er dieses elektrisierende Gefühl nicht aufgeben möchte.
In Tokio, Bangkok, Singapur und Jakarta finden regelmäßig MOD MAYDAYS statt. Da fahren dann hunderte von jungen MODS auf ihren chrom - verzierten Motorrollern durch die nächtlichen Großstädte. MOD Ikone EDDIE PILLER (61 Jahre alt und Gründer des legendären ACID JAZZ Labels) beobachtet die Szene.
Für Eddie ist MOD eine Lebenseinstellung. Er hat seine eigene Radio Show und sein Buch CLEAN LIVING UNDER DIFFICULT CIRCUMSTANCES ist unter MODS ein Bestseller. Geht es nach ihm, gehört die Zukunft der Jugend. Dabei setzt er seine Hoffnung auf Kids, die sich nicht dem kommerziellen Wahn, der heutigen Zeit verschreiben, sondern sich eigenständig und kreativ engagieren. Für Eddie : die 5. Generation MOD.
Vielleicht heißen sie nicht MODS, aber so ein wenig sieht er sich selbst als er 16 war, wenn er bei einem Konzert der MOLOTOVS ins Publikum schaut.
Today's gonna be our day.. THE MOLOTOVS